Alle Jahre wieder im Herbst findet im oberösterreichischen Salzkammergut der traditionelle Singvogelfang statt. Im Zeitraum zwischen dem 15. September und 30. November dürfen in dieser Region – völlig legal – die geschützten Singvogelarten Stieglitz, Erlenzeisig, Gimpel und Fichtenkreuzschnabel gefangen werden.
Rechtliche Ausnahme mit fatalen Folgen
Eigentlich ist der Singvogelfang bereits seit 2005 durch das Bundestierschutzgesetz in ganz Österreich verboten! Allerdings erlaubt die oberösterreichische Artenschutzverordnung laut § 11 explizit und ausschließlich für das oberösterreichische Salzkammergut den Fallenfang für die traditionellen Singvogelausstellungen. Seit 2010 wurde der Singvogelfang sogar in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen.
Derzeit gibt es rund 500 registrierte Vogelfänger im Salzkammergut. Jeder von ihnen darf bis zu 10 Vögel als Lockvögel lebenslang behalten. Zusätzlich dürfen pro Person und Fangsaison 5 weitere Vögel bis April gefangen gehalten werden.
Vermutet wird jedoch, dass die Die Realität weit schlimmer ist und deutlich mehr Tiere als erlaubt – darunter auch Arten, die gar nicht genehmigt sind, gefangen werden.

Methoden und Vorgehensweise beim Fang
Vor Sonnenaufgang werden an eigens präparierten Plätzen bis zu 50 Fallen ausgelegt. In winzigen Käfigen dienen Lockvögel als Köder, um andere Singvögel anzulocken. Schnappen die Fallen zu, werden die Vögel in kleine Käfige gesperrt und oft in Rucksäcken transportiert. Schon beim Fang geraten die sensiblen Wildvögel in enormen Stress und Angst – viele verlieren beim verzweifelten Versuch, den Netzen zu entkommen, sogar ihr Leben.
Am ersten Adventwochenende werden die Vögel dann traditionell im Zuge der Vogelausstellung präsentiert. Erst im Frühjahr – sofern sie die Gefangenschaft überhaupt überlebt haben – werden sie wieder freigelassen – ein massiver Eingriff in ihr Leben und ihre Freiheit.
Eingriff in natürliche Lebensweisen
Zwar schreibt die Ausnahmebestimmung vor, dass die gefangenen Singvögel wieder in einem arttypischen Lebensraum freigelassen werden müssen – allerdings nicht dort, wo sie gefangen wurden. Für die Tiere bedeutet das, dass sie ihr angestammtes Revier verlieren und sich in einer fremden Umgebung behaupten müssen.
Besonders problematisch ist dies beim Fichtenkreuzschnabel: Er beginnt oft schon im Winter mit der Brut (Dezember bis Mai). Werden Tiere in dieser Zeit gefangen, sind sie automatisch vom Brutgeschehen ausgeschlossen.
Auch beim Gimpel zeigt sich die Grausamkeit des Singvogelfangs deutlich: Man geht davon aus, dass die Vögel eine lebenslange Partnerschaft eingehen. Durch den Fang werden Paare auseinandergerissen.

Gefährdung endet nicht mit der Freilassung
Selbst wenn die Singvögel nach Monaten der Gefangenschaft wieder in die Freiheit entlassen werden, ist ihr Leid damit nicht beendet. Viele haben in dieser Zeit ihre Fähigkeit zur natürlichen Nahrungssuche verloren – sie verhungern oft schon nach wenigen Tagen.
Auch ihre Flugmuskeln sind durch die Bewegungslosigkeit stark geschwächt. In der freien Natur können sie nicht mehr rechtzeitig vor Feinden fliehen und werden leichte Beute für Greifvögel und andere Beutegreifer.
Tradition ist keine Rechtfertigung für Tierquälerei!
Der Vogelfang dient keinem wirtschaftlichen Zweck, sondern lediglich der sogenannten „Traditionspflege“ und der Freude am Fangen wilder Tiere. Tradition darf niemals Tierquälerei rechtfertigen! Der Singvogelfang im Salzkammergut widerspricht diesen Grundsätzen und verursacht unnötiges Leid für tausende Wildvögel.
Der Österreichische Tierschutzverein fordert daher ein sofortiges Ende dieser grausamen Tradition!