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Verpflichtender Hundeführerschein: Pro und Contra

Österreichischer Tierschutzverein - Tierschutzwissen: Verpflichtender Hundeführerschein. Pro und Contra!

Nach mehreren Bissattacken von Hunden werden die Forderungen nach einem verpflichtenden Hundeführerschein wieder lauter. Aber welche Vor- und Nachteile bietet der Hundeführerschein eigentlich wirklich? Und welche Regelungen gibt es in den einzelnen Bundesländern? Der Österreichische Tierschutzverein klärt auf.

Immer wieder berichten Medien über Hunde-Bissattacken. Erst im September 2018 wurde ein einjähriger Bub in Wien von einem Rottweiler tödlich verletzt, vor wenigen Tagen wurde ein Mädchen (11) von einem Staffordshire Terrier in Arme und Beine gebissen. Seither wird der Ruf nach einem verpflichtenden Hundeführerschein für Hundehalter wieder lauter. Mehr über die Vor- und Nachteile des Hundeführerscheins.

Vorteile des Hundeführerscheins

+ Vorbereitung für künftige Hundehalter:

Potentielle bzw. zukünftige Hundehalter werden im Rahmen des Hundeführerscheins umfassend aufgeklärt und auf das Zusammenleben mit einem Vierbeiner vorbereitet. Sie erhalten wichtige Informationen über die Bedürfnisse eines Hundes und die Anforderungen, die ein Hundehalter erfüllen muss.

+ Vermeidung von Spontankäufen:

Durch Aufklärung und Information können sich potentielle Hundehalter darüber klarwerden, was die Anschaffung eines Hundes tatsächlich für den eigenen Alltag bedeutet. So können Spontankäufe verhindert werden. Denn gerade Hunde, die aus einer Laune heraus gekauft werden, werden später oft ausgesetzt oder landen in Tierheimen.

+ Wissen über Umgang und Haltung:

Durch das Absolvieren des Hundeführerscheins lernen Hundehalter ihren (künftigen) Vierbeiner viel besser kennen. Sie lernen das Wichtigste über den artgerechten Umgang und erfahren, wie sie die Signale ihres Hundes richtig deuten können.

+ Kritische Situationen besser einschätzen lernen:

Je mehr ein Hundehalter über seinen vierbeinigen Liebling weiß, desto rascher und besser kann er kritische Situationen erkennen und womöglich sogar ganz vermeiden. Im Ernstfall weiß ein solcher Hundehalter auch viel eher, wie er reagieren muss als jemand, der sich kaum mit den Bedürfnissen, Ansprüchen und Charakterzügen seines Tieres beschäftigt.

+ Fokus auf dem Hundehalter:

Hunde werden oft nach ihrer Rasse stigmatisiert und als grundlegend „böse“ oder „aggressiv“ abgestempelt. Aber: Tiere kommen nicht aggressiv zur Welt. Viel eher sollte der Fokus auf dem Hundehalter, auf dessen Erziehung und Umgang mit dem Tier liegen. Der Hundeführerschein ist ein erster Schritt in diese Richtung.

Nachteile des Hundeführerscheins

– Kritik seitens erfahrener Hundehalter:

Viele Hundehalter, die über jahre- oder sogar jahrzehntelange Erfahrung mit Hunden verfügen, verstehen nicht, warum sie sich plötzlich einer Prüfung unterziehen und dafür Geld bezahlen müssen. Eine Ausnahmeregelung wie etwa in der Steiermark (siehe unten) könnte Abhilfe schaffen.

– Kosten und Aufwand:

Ein Argument, das viele Gegner des Hundeführerscheins einbringen, sind die damit verbundenen Kosten und der erhöhte Aufwand. Wer sich einen Hund anschafft, sollte sich aber grundsätzlich darüber klar sein, dass damit auch (langfristige) Kosten entstehen, wie etwa Tierarzt- oder Verpflegungskosten oder die Hundesteuer. Der Betrag für den Hundeführerschein variiert zwar von Bundesland zu Bundesland, ist aber im Vergleich zu Futter- oder Tierarztkosten eher gering – und vor allem nur einmalig zu entrichten. In Wien kostet die Prüfung zum Beispiel um die 25 Euro, dafür muss im darauffolgenden Jahr keine Hundesteuer (72 Euro) entrichtet werden.

– Regelung für Hundesitter:

Mit der Einführung des Verpflichtenden Hundeführerscheins könnte die Unterbringung bzw. Betreuung des Hundes durch Hundesitter, Freunde und Familienangehörige kompliziert werden, sofern diese keinen Hundeführerschein absolviert haben.

Hundeführerschein ist Sache der Bundesländer

Die Regelungen zum Hundeführerschein (auch Sachkundenachweis) sind derzeit in jedem Bundesland verschieden. Mehr über die aktuellen Regelungen von Wien bis Vorarlberg:

Wien

  • Freiwilliger Hundeführerschein für Hunde, die nicht auf der „Rasseliste“ stehen.
  • Für ALLE Hundehalter gilt jedoch: Wer sich nach dem 1. Juli 2019 einen Hund anschafft, muss verpflichtend einen Kurs absolvieren und einen Sachkundenachweis vorlegen können. Dies gilt jedoch nur für den Besitzer – sind Dritte mit dem Hund unterwegs, ist kein Führungsnachweis erforderlich. Mit Ausnahme von Listenhunde-Besitzern: Geben diese ihre Tiere an Personen ohne Hundeführerschein weiter, drohen Strafen bis zu 200 Euro.
  • Verpflichtender Hundeführerschein für Hunde auf der „Rasseliste“. Darunter fallen:
    • Staffordshire Bullterrier
    • American Staffordshire Terrier
    • Mastino Napoletano
    • Mastin Español
    • Fila Brasileiro
    • Mastiff
    • Bullmastiff
    • Tosa Inu
    • Pitbullterrier
    • Rottweiler
    • Dogo Argentino (Argentinischer Mastiff)
    • Entsprechende Mischlinge dieser Rassen
  • Für Listenhunde-Besitzer: Verpflichtende Wiederholung der Hundeführerschein-Prüfung nach 21 Monaten, weil sich Welpen anders verhalten, als ausgewachsene Hunde.
  • Generelle Beißkorbpflicht für Listenhunde in Planung (Ausnahmen: ohne Leine und Beißkorb in umzäunter Hundezone erlaubt, ohne Leine in nicht umzäunter Hundezone erlaubt)
  • Kosten: max. 25 Euro, dafür keine Hundesteuer (75 Euro) im darauffolgenden Jahr
  • Strenges Alkohollimit: 0,5 Promille-Grenze für Frauchen und Herrchen von Listenhunden

Niederösterreich

  • Verpflichtender Sachkundenachweis für Hunde auf der „Rasseliste“, wie:
    • Rottweiler
    • Pitbullterrier
    • Bullterrier
    • American Staffordshire Terrier
    • Tosa Inu
    • Staffordshire Bullterrier
    • Dogo Argentino
    • Bandog
    • Enstprechende Mischlingsrassen
  • Kosten: abhängig von der Kurslänge, 75 bis max. 110 Euro

Oberösterreich

  • Verpflichtender Sachkundenachweis für alle Hundehalter, der bei der Meldung bereits vorgelegt werden muss. Die Kursdauer beträgt mehrere Stunden.
  • Erweiterter Sachkundenachweis für „auffällige“ Hunde bzw. „Hunde mit Gefährdungspotential“ erforderlich.
  • Kosten:
    • Verpflichtender Sachkundenachweis: ca. 25-30 Euro
    • Erweiterter Sachkundenachweis: abhängig von Kursdauer

Salzburg

  • Verpflichtender Sachkundenachweis für alle Hundehalter erforderlich. Die Kursdauer beträgt mehrere Stunden.
  • Erweiterter Kurs für Hunde, die vom Gesetzgeber als „gefährlich“ eingestuft wurden (mind. 10 Stunden + Praxisteil).
  • Kosten:
    • Verpflichtender Sachkundenachweis: ca. 40 bis 50 Euro
    • Erweiterter Kurs für „gefährliche“ Hunde: abhängig von Kursdauer

Kärnten

  • Hundeführerschein für Halter verhaltensauffälliger Hunde wird diskutiert, derzeit aber noch nicht gesetzlich vorgeschrieben.

Steiermark

  • Seit 2012 verpflichtender Hundekundenachweis für Ersthundehalter innerhalb eines Jahres nach Anschaffung. Ausgenommen sind Hundebesitzer, die in den letzten fünf Jahren vor Einführung dieser Regelung einen Hund hatten.
  • Kosten: ca. 40 Euro

Vorarlberg

  • Als „Kampfhunde“ eingestufte Vierbeiner dürfen nur mit einer behördlichen Bewilligung gehalten werden. Darunter fallen:
    • Bullterrier
    • Staffordshire Bullterrier
    • American Staffordshire Terrier
    • Mastino Napoletano
    • Mastin Espanol
    • Fila Brasileiro
    • Argentinischer Mastiff
    • Mastiff
    • Bullmastiff
    • Tosa Inu
    • Bordeaux Dogge
    • Dogo Argentino
    • Ridgeback
    • Kreuzungen Bandog und Pitbullterrier
    • Alle Mischlinge dieser Rassen

Burgenland

  • Kein verpflichtender Hundeführerschein

Tirol

  • Kein verpflichtender Hundeführerschein

Fazit: Hundeführerschein grundsätzlich empfehlenswert

Die Einführung eines verpflichtenden Hundeführerscheins ist ein komplexes Thema, das mit Sicherheit noch viele Diskussionen nach sich ziehen wird. Im Hinblick auf die zahlreichen Vorteile und die relativ geringen Nachteile, betrachtet der Österreichische Tierschutzverein den Hundeführerschein grundsätzlich als empfehlenswert für Hundehalter (egal welcher Hunderassen). Dies gilt vor allem dann, wenn die Hundehalter noch wenig bis keine Erfahrung im Umgang mit Hunden aufweisen.

Im Rahmen des Hundeführerscheins lernen Hundebesitzer ihr Tier besser kennen, entwickeln ein grundlegendes Gefühl für die artgerechte Haltung und den einfühlsamen, sicheren Umgang mit ihrem Liebling und lernen, kritische Situationen von vornherein zu vermeiden bzw. im Ernstfall richtig zu reagieren. So könnten mit großer Wahrscheinlichkeit viele Bissattacken vermieden werden. Auch die Zahl unbedachter Spontankäufe könnte reduziert werden und für eine Entlastung der Tierheime sorgen – und das bei vergleichsweise geringen Kosten und überschaubarem Zeitaufwand.

Mehr zum Thema Hundeführerschein sowie zum Ablauf und den zuständigen Ansprechpartnern erfahren Sie HIER.

Quellen:

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