
Österreichischer Tierschutzverein: Alarmstufe Rot für die Wildbienen
PresseDer Österreichische Tierschutzverein warnt: die Situation der Wildbienen und vieler anderer Bestäuber in Österreich ist besorgniserregend. Diese für das Ökosystem so wichtigen Insekten leiden vor allem unter Lebensraumverlust durch intensive Landwirtschaft (Pestizide) und rasant zunehmende Versiegelung. Ein weiteres Problem sieht die Wildbienenexpertin Dr. Sophie Kratschmer in der übertriebenen Pflege von Gärten und Grünflächen. Daher sind gezielte Erhebungen und wirkungsvolle Schutzmaßnahmen dringend notwendig.
Sie summen kaum hörbar, doch ohne sie wäre unsere Welt stiller, ärmer – und hungriger. Wildbienen sind für die Bestäubung von Wild- und Nutzpflanzen unerlässlich. Damit tragen sie zum Funktionieren von Ökosystemen, zur Biodiversität und zur Landwirtschaft bei. Wildbienen sind für einige Pflanzen sogar effizienter als Honigbienen. Ohne sie würden Obstbäume keine Früchte tragen.
Österreich: Land der Wildbienen
Alexios Wiklund, Sprecher des Österreichischen Tierschutzvereins: „In Österreich gibt es rund 700 Wildbienenarten. Im zehnmal größeren Deutschland sind es hingegen nur 500 Arten. Das ist eine außergewöhnlich hohe Vielfalt im zentraleuropäischen Vergleich. Doch Dutzende Arten sind bereits verschwunden. Was wie ein stilles Sterben erscheint, ist in Wahrheit eine stille Katastrophe – auch für uns Menschen.“
Gezielte Erhebungen wichtig
Warum das so ist, weiß die Zoologin Dr. Sophie Kratschmer, eine der führenden Expertinnen für Wildbienen in Österreich: „Derzeit erstellen Kolleg:innen am Naturhistorischen Museum in Wien eine Rote Liste über den Gefährdungszustand der Wildbienen in Österreich. Dann wissen wir genau, wie viele Arten in Österreich gefährdet sind. Die Österreichische Rote Liste für Hummeln, die vom führenden Hummelexperten Johann Neumayer erstellt wurde, zeigt jedoch bereits ein eher düsteres Bild. Von den 45 in Österreich heimischen Hummelarten sind drei ausgestorben und 14 in einer Gefährdungskategorie, also rund ein Drittel.“
Blütenangebot entscheidend
Kratschmer ist Senior Scientist am Institut für Zoologie der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien sowie Gründungsmitglied des Österreichischen Wildbienenrates. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich intensiv mit den Auswirkungen menschlicher Einflüsse auf die Artenvielfalt, Häufigkeit und funktionelle Zusammensetzung von Wildbienengemeinschaften. „Für Wildbienen ist vor allem das Blütenangebot in geringer Distanz zum Nistplatz entscheidend, also die Lebensraumqualität einer Landschaft.“ Die Hauptschuldigen sind schnell benannt: Lebensraumverlust durch Versiegelung, intensive Landwirtschaft, Blütenarmut, der Einsatz von Pestiziden und der fortschreitende Klimawandel setzen den sensiblen Bestäubern massiv zu.
Auch Hummeln gefährdet
Expertin Kratschmer: „Hummeln bilden einjährige Staaten, die artabhängig, mit 30 bis 600 Individuen verglichen mit den mehrjährigen Staaten der Honigbiene klein sind. Sie sind unverzichtbar und übernehmen die Bestäubung oft auch bei widrigen Wetterbedingungen, bei denen andere Bienenarten weniger oder gar nicht aktiv sind.“
Meist Einzelgänger ohne Schutz
Im Gegensatz zu Honigbienen und Hummeln leben 90 Prozent der Wildbienenarten allein, ohne Staat, ohne Schutz. „Sie gründen keinen Staat, sondern jedes Weibchen kümmert sich ohne die Hilfe von Artgenossinnen um ihre Brut.“ Zum Beispiel: Mauer-, Sand-, Holz- und Seidenbienen. Dabei sind viele Arten hochspezialisiert: Manche besuchen nur ganz bestimmte Pflanzenarten. Wenn diese Pflanzen durch den Rückgang naturnaher Flächen verloren gehen, verschwindet auch die Biene.
Macht wilde Ecken im Garten!
Die Expertin Sophie Kratschmer ist überzeugt, dass jede und jeder etwas tun kann, um Wildbienen zu fördern. „Die Teillebensräume sollten nah beieinander liegen, damit es von den Pollen- und Nektarquellen nur eine kurze Strecke zum Nistplatz ist.“
Beim Anlegen von Blühflächen sollten Tierfreunde auf heimisches, autochthones Saatgut setzen oder Spontanvegetation zulassen. „Wichtig ist, die Pflege zu reduzieren und das Rasenmähen auf ein Minimum zu beschränken – einfach wilde Ecken im Garten zulassen“, fordert die Wissenschaftlerin.
Meisten Bienenarten nisten im Boden
Da gut die Hälfte der heimischen Bienenarten im Boden nisten, sind vegetationsfreie oder schütter bewachsene Bodenstellen hochrelevant. Sophie Kratschmer: „Bienenhotels fördern oft nur einen sehr kleinen Teil der Arten und hier auch oft nur häufig vorkommende Generalisten.“ Auch durch unser Konsumverhalten können wir Wildbienen und andere Insekten schützen, indem wir vorrangig Produkte aus biologischer Landwirtschaft kaufen.
So können sie der Wildbiene helfen
Alexios Wiklund: „Wildbienen benötigen vielfältige Nistmöglichkeiten wie offene Bodenstellen, Totholz, steiniges Gelände und ungemähte Wiesen. Die gute Nachricht: Wir können ihnen dabei helfen, in unserem Garten, auf unserem Balkon.“
• Blühflächen schaffen: Heimische Wildblumen statt Zierrasen oder Schottergärten.
• Nistplätze erhalten: im Garten nicht alles aufräumen – Wildbienen nisten in offenen Sandflächen, hohlen Stängeln, in alten Mauerritzen und in Totholz.
• Keine Pestizide verwenden: Was Schädlinge tötet, trifft auch Nützlinge – fast immer mit tödlichen Folgen.
Rückfragen & Kontakt:
Alexios Wiklund
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